Was ist Liebeskummer?

Abgelegt unter Blogging by Blogger am 20. März 2020

Gebrochene Herzen erfreuen sich in der Literatur und im Film großer Beliebtheit. Im echten Leben macht Liebeskummer jedoch deutlich weniger Spaß, als auf der Leinwand. Wer eine Liebe verliert, leidet nicht nur an seelischen, sondern gleichermaßen an körperlichen Schmerzen. Doch was sind die Ursachen dieser doppelten Tortur?

Die amerikanische Psychologin und Anthropologin Dr. Helen Fisher hat ihr Leben der Betrachtung der romantischen Liebe gewidmet und die Entstehung dieses extremen Schmerzes untersucht, der bei Verlust derselben entsteht. Dabei widmete sie sich besonders der Frage, was in unseren Gehirnen passiert, wenn wir mit dem Verlust einer Liebe konfrontiert werden und welchen evolutionären Hintergrund gebrochene Herzen haben.

Warum Liebe wehtut – auch körperlich

Bei Liebeskummer handelt es sich laut Fisher um eine extreme Stresssituation und enorme Belastung für Körper und Geist der Betroffenen. Gerade zu Beginn reagiert der Körper intensiv auf den Schock des plötzlichen Verlustes, ähnlich wie bei einem Todesfall. Der Betroffene spürt häufig eine ganze Palette an Gefühlen, von Trauer, Ohnmacht und Schwermut, bis hin zu Angst und Wut. Im Gehirn kann dabei der plötzliche Rückgang des Glückshormons Serotonin beobachtet werden. Diesen versucht der Körper sofort auszugleichen: „Während einer anfänglichen Protestphase versucht der Verlassene, mit allen Mitteln, wieder zu gewinnen“ erklärt die Psychologin.

Das Ende der Beziehung aktiviert den Liebesbotenstoff Dopamin zu Höchstleistungen, weil die Belohnung ausbleibt. Diese verstärkte Aktivität im mesolimbischen System, besser als „Belohnungssystem“ bekannt, findet man auch bei frisch Verliebten – oder Drogenabhängigen, die sich gerade den nächsten Schuss gesetzt haben. Wissenschaftlich betrachtet ist Liebeskummer tatsächlich nichts anderes als ein kalter Entzug – und genauso schmerzhaft. Denn außer einer verstärkten Aktivität im Belohnungssystem konnte auch in der vorderen Inselrinde von Menschen, die unter Liebeskummer litten, vermehrt Aktion beobachtet werden. Hier wird in der Neurowissenschaft nicht nur emotionaler Aufruhr verortet, der körperliches Unwohlsein hervorruft, sondern auch Schmerz selbst.

„Man geht davon aus, dass die Inselrinde Emotionen so vermittelt, wie wir sie in unseren Körpern fühlen. Manche Leute denken, dass sie der Ursprung unserer Gefühle ist“, so Fischer. Sie vergleicht die physiologischen Schmerzen, die Liebeskummer mit sich bringen, zum Beispiel mit den Schmerzen eines gebrochenen Beins. Allerdings bleibt diese Art des Schmerzes über lange Zeit weniger stark in Erinnerung, als Schmerzen, die durch eine verlorene Liebe entstehen: „Auch Jahre später können wir uns an die physischen Qualen des Verlusts von ihm oder ihr erinnern.“ erklärt die Anthropologin. „Aspirin oder andere Schmerzmittel könnten sogar helfen!“

Wegen des Mangels an Serotonin, mit dem Liebeskummer einhergeht, und dem daraus resultierenden Dopaminüberschuss, entwickelt sich nach einem Liebesverlust außerdem häufig die sogenannte „frustration attraction“. Menschen, die unter Liebeskummer leiden, sind nach der Trennung häufig sogar noch stärker in ihren Expartner verliebt. Sie versuchen verzweifelt, wieder zu bekommen, was sie nicht mehr haben, was zu ungesunden Verhaltensmustern wie Stalking führen kann.

Warum Verlassene ihren Partner nach der Trennung oft noch mehr lieben

Je mehr sich der Expartner von einem abwendet, desto mehr wird er für den anderen zum Mittelpunkt des Denkens. Das hat laut Fisher einen evolutionären Grund. Romantische Liebe hat einen essentiellen Zweck; sie ist Teil unseres Erbes aus dem Tierreich, und wir brauchen sie. Diesen Überlebensinstinkt gäbe es bei Säugetieren seit über vier Millionen Jahren, schließlich sichere er die Reproduktion und das Überleben potenzieller Nachkommen. Auch gewährleistet ein Zusammenschluss zu familiären Gruppen in lebensfeindlichen Gebieten die Sicherheit der einzelnen Parteien. „Die Tatsache, dass die Liebe tief im Stammhirn aktiviert wird, wo die Kreisläufe für andere Überlebensreflexe sitzen, lässt uns denken, dass sie Teil unseres Überlebenssystems ist.“ so Fischer. Liebe regt also durch biochemische Prozesse dazu an, das Objekt seiner Begierde zu gewinnen bzw. im Falle einer Trennung wieder zurückzuerobern.

Nach einer gewissen Zeit lässt die vermehrte Dopaminausschüttung wieder nach. Manchmal sinkt sie dabei sogar unter den normalen Wert, was im schlimmsten Fall zu Depressionen führen kann. Dabei leiden Partner, die eine Beziehung beendet haben, oft nicht weniger als diejenigen, die verlassen wurden, so die Psychologin Ina Grau. Sie sind in den meisten Fällen nur weniger wütend auf ihre Expartner.

Eine verringerte Ausschüttung von Glückshormonen ist nicht die einzige Veränderung im Hormonhaushalt, die mit einer Trennung einhergeht. Auch wird nach einem Liebesverlust vermehrt das Stresshormon Cortisol produziert, was einen ganzen Rattenschwanz an stressbedingten Krankheiten nach sich ziehen kann, beispielsweise Schlaf- und Essstörungen oder ein geschwächtes Immunsystem. Im schlimmsten Fall kann Liebeskummer sogar zu dem sogenannten „Broken- Heart- Syndrom“ führen.

Morbus Herzeleid oder das „Broken-Heart-Syndrom“

Dabei „bricht“ das Herz selbstverständlich nicht tatsächlich entzwei; jedoch kann die Pumpleistung bei massivem, emotionalen Stress plötzlich stark nachlassen. In Extremfällen kann das einen kardiogenen Schock zur Folge haben, bei dem der Blutdruck abfällt und der Körper nicht mehr mit ausreichend Blut versorgt wird. Dabei ist das „Broken- Heart- Syndrom“ nicht leicht zu diagnostizieren, zu ähnlich sind die Symptome denen eines Herzinfarkts. Dazu zählen neben dem Abfallen des Blutdrucks ein Engegefühl in der Brust, Herzrasen, kalter Schweiß, Übelkeit und Erbrechen. Betroffen sind vor allem Frauen während und nach den Wechseljahren, möglicherweise, weil diese durch einen sinkenden Östrogenspiegel anfälliger für stressbedingte Herzerkrankungen sind.

Zwar sterben nur ausgesprochen wenige Menschen tatsächlich an gebrochenen Herzen; dennoch ist die Belastung für den Körper, die Liebeskummer mit sich bringt, in keinem Fall zu unterschätzen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse fasst Geoff MacDonald, der Dozent für Psychologie an der University of Toronto, zusammen. „Emotionen sind nicht irgendein geheimnisvolles, körperloses Wesen. Emotionen sind ein körperliches Phänomen. Sie sind nichts anderes als dein Körper, der Informationen über die Vorgänge seiner Umwelt sammelt und dich darauf vorbereitet, angemessen darauf zu reagieren.“

Wichtig sei dabei vor allem, den funktionalen Nutzen liebesinduzierter Schmerzen nicht zu missachten. „Wir tun uns selbst keinen Gefallen, wenn wir versuchen sie zu ignorieren oder sie zu unterdrücken, anstatt einen Moment innezuhalten und auf sie zu hören. Diese negativen Gefühle sind Teil einer Anpassungsreaktion und eines Heilungsprozesses“, erklärt MacDonald. „Wenn du jemanden so sehr liebst, dass es wehtut, dann nimm dir Zeit, um dich damit auseinanderzusetzen. Versuch zu verstehen, warum der Drang in dir so groß ist. Das, was in dir vorgeht, ist größer als diese eine Beziehung.“

 



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