Spreemieze – Romantik, Liebe, Revolution
Ich schreibe (Liebes)briefe an diese Stadt, dokumentiere die Häßlichkeit der Gegenwart, das echte Leben, um den Moment zu archivieren, das verfänglichen einzufangen. Um dann zu sehen, wie schnell alles vergeht, in einem Augenblick, bis wir fragen: How long is now? „Ich bin eine Kamera mit offenem Verschluß, nehme nur auf, registriere nur, denke nichts. Registriere den Mann, der sich am Fenster drüben rasiert, und die Frau im Kimono, die ihr Haar wäscht. Eines Tages werde ich alle Bilder entwickelt, sorgfältig kopiert und fixiert haben“ – Leb wohl, Berlin – Christopher Isherwood.
Meine Stadt ist eine Galerie ohne Eintritt. Ich flaniere durch die Strassen und mein ständiger Begleiter ist die Kamera. Ich betrachte die Stadt durch eine Linse und fange das eine hier und da ein. Das neue Pasted Paper an dem S-Bahnbogen, das Einschußloch aus dem Zweiten Weltkrieg, ein abgestelltes Fahrrad. Für die meisten beschleunigten Menschen, die zwischen Streß und Hektik, Bulette und Meeting, Parkplatzsuche und Hundescheiße hin und her eilen, nicht zu sehen, weil sie nicht mehr die Augen für die Besonderheiten des Lebens haben. Ich halte an, meist ganz abrupt und fotografiere. Halte fest was ich sehe, für dich und mich, denn nur einen Windstoß entfernt verändert sich wieder alles.
„Die Stadt wird immer größer. Berlin wächst. Je mehr man von Berlin kennt, umso größer wird die Stadt. Die Stadt nimmt eine antithetische(oder soll ich sogar sagen: eine dialogische) Gestalt an. Sie fängt an, mit sich selbst zu sprechen (bis man sich sagt: Was für ein Unsinn: die Stadt führt keine Selbstgespräche; sie spricht mit mir, vielmehr: ich spreche mit ihr).“ – Von Kreuzberg nach Pergamon – Diether Huhn.
Ich sitze im Café, höre und beobachte: Berliner Gespräche, den Fahrradkurier, die hupenden Taxifahrer, den Opa in Jogginghose bei Konopke, die Touristen auf dem Alexanderplatz, die ganz verzweifelt eben diesen suchen, die babylonische Schlange vor dem Club. Berlin ist meine ganz große Liebe. Schön ist sie nicht. Nicht so elegant wie Paris, so gerissen wie Chicago oder frisch wie Hamburg – man sieht, ich habe diese Liebe schon so oft betrogen. Und doch fängt sie mich immer wieder mit offenen Armen auf. Hier bin ich, Berlin – mon amour.
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